„Viele Wissenschaftler und Hochschullehrer haben dem NS-Regime gerade dadurch am besten gedient, dass sie in dessen Rahmen die bestmögliche Forschung und Lehre zu produzieren versuchten.“
Mitchell G. Ash, Historiker
Zwischen 1927 und 1945 forschten am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik zeitgleich bis zu 50 Wissenschaftler*innen. Sie untersuchten, wie Eigenschaften und Krankheiten bei Menschen vererbt werden. Dabei nutzten sie Methoden, die international als modernster Stand der Humangenetik galten.
Forschung am Institut war untrennbar mit Ideen der Ungleichwertigkeit von Menschen verbunden. Forschende wollten kranke und behinderte Menschen, Jüdinnen*Juden, Rom*nja, Sinti*zze, Schwarze Menschen und andere rassifizierte Personen aus der deutschen Gesellschaft getilgt wissen. Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten nutzte das Institut als Chance, eugenische Ideen in die Tat umzusetzen.
Die Belegschaft posiert für ein Gruppenfoto. Die Anzüge und Kittel drücken Seriosität und Forschungsdrang aus. Als das Foto 1939 entstand, waren bereits etwa 300.000 Menschen gegen ihren Willen sterilisiert worden. Mitarbeiter*innen des Instituts waren durch ihre Vorarbeit daran beteiligt.
Der indische Anthropologe Sasanka Sekhar Sarkar (1908–1969) untersuchte von 1938 bis 1940 rund 100 Zwillingspaare, um herauszufinden, wie sich Fingerlinien vererben. In den 1950er-Jahren forderte er an der University of Calcutta, biologisches Wissen zu nutzen, um ein Schrumpfen der Bevölkerung zu verhindern. Ehen sollten ab dem durchschnittlichen Alter des Eintretens der Periode erlaubt sein.
Im Oktober 1933 übernahm Fritz Lenz (1887–1976) die Leitung der Abteilung für Eugenik, die in Abteilung für Rassenhygiene umbenannt wurde. Mit Institutsdirektor Eugen Fischer arbeitete er an zwei Neuauflagen des Standardwerks „Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene“. Darin beschrieb er, wie aus seiner Sicht unerwünschte Eigenschaften und Krankheiten vererbt werden.
Seit Gründung des Instituts im Jahr 1927 leitete Otmar von Verschuer (1896–1969) die Abteilung für Erblehre. Mit Untersuchungen an Zwillingen wollte er herausfinden, welchen Einfluss die Umwelt und welchen die Erbanlagen auf Menschen haben. In Veröffentlichungen betonte er stets die Bedeutung des Erbguts. Menschen, deren Erbanlagen aus seiner Sicht unerwünscht waren, sollten keine Kinder bekommen.
Worum geht es der Vererbungsforschung und warum fasziniert sie so sehr?
Video-Kommentar von
Prof. Dr. Staffan Müller-Wille, University of Cambridge
3:28 Min.