Im Untergeschoss des Gebäudes in der Ihnestraße 22 befand sich früher das „Untersuchungszimmer für Zwillinge“. In der Zwillingsforschung galt das Institut international als führend. Forschende gingen der Frage nach: Ist es das Erbgut oder sind es Umwelteinflüsse, die Aussehen, Verhalten und Krankheiten beim Menschen bestimmen?
Eineiige Zwillinge verstanden die Forschenden als genetisch identisch. Unterschiede zwischen ihnen führten sie deshalb auf den Einfluss der Umwelt zurück, Ähnlichkeiten dagegen auf das Erbgut. Die Abweichungen, die zwischen ein- und zweieiigen Zwillingen auftraten, hielten Forschende in Zahlen fest und verglichen sie mit den Abweichungen bei eineiigen Zwillingen. So sollte die Erblichkeit eines Merkmals mathematisch erfassbar gemacht werden.
Am Institut wurden Zwillingspaare untersucht, vermessen und fotografiert. Fotos wie dieses waren sorgfältig inszeniert. Mit ihnen stellte sich das Institut als moderne Einrichtung dar, die unter Laborbedingungen an Menschen forschte.
Otmar von Verschuer setzt hier die „Zwillingskartei“ des Instituts in Szene. Anfang der 1930er-Jahre waren medizinische Daten von über 700 am Institut untersuchten Zwillingen zusammengefasst. Große Datenmengen waren für die Zwillingsmethode wichtig, weil die Einflüsse von Umwelt und Erbgut statistisch gemessen werden sollten. Nach 1945 führte Verschuer die Kartei an der Universität Münster weiter.
Auf der Insel Norderney und bei Berlin organisierte Kurt Gottschaldt, Leiter der Abteilung für Erbpsychologie, 1936 und 1937 „Zwillingslager“. Insgesamt verbrachten dort über 300 Kinder ihre Sommerferien. Forschende führten zweimal täglich „Verhaltens- und Stimmungslisten“ über jedes Kind. Gottschaldt war zeitlebens damit beschäftigt, die uneinheitlichen Daten in eine auswertbare Form zu bringen.
Der junge Wissenschaftler Otmar von Verschuer (1896–1969) war von Gründungsdirektor Eugen Fischer als Leiter der Abteilung für menschliche Erblehre eingesetzt worden. 1942 folgte Verschuer ihm als Direktor und profilierte das Institut als Standort der Zwillingsforschung.
Verschuer unterhielt enge Verbindungen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Der dortige „Lagerarzt“ Josef Mengele hatte bei ihm die Zwillingsmethode gelernt. An inhaftierten Zwillingen führte Mengele sein eigenes Forschungsprogramm durch.
Dass Mitarbeiter*innen des Instituts an den Körpern von in Lagern Ermordeten forschten, nahm Verschuer mindestens billigend in Kauf. Nach 1945 setzte er seine Karriere als Professor an der Universität Münster fort.
Nach 1945 setzte Verschuer die in den 1920er-Jahren begonnenen Untersuchungen an einer Gruppe von Zwillingen fort. Die Zwillinge hatte er auch während des Nationalsozialismus am Institut untersucht. In seinem Buch vermied Verschuer, darauf hinzuweisen. Im Diagramm nannte er nur die Jahre 1927 und 1953.